Calenberger Autorenkreis

   





Jochen Krahnert ist ehemaliger Augenarzt und seit dem Sommer 2023 dabei. Er schreibt seit vielen Jahren, gerne Reiseberichte und humoristsiche Kurzgeschichten. Lesen Sie hier zwei Kurzgeschichten von ihm.


Der bissige Hamster

Ich habe früher einen Hamster besessen, aber die leben nicht sehr lange, und wegen vielfacher Verpflichtungen, wollten wir uns keinen neuen mehr anschaffen.
Es ist kaum glaubhaft: Wie wir abends mit unserem Auto nach Hause fahren, taucht plötzlich ein kleiner Hamster in unserem Scheinwerferlicht auf. Er überquert hastig die Straße. Sicherlich ist er aus irgendwelchen Gründen von seinem Besitzer ausgesetzt worden.
Er saust die Gosse entlang, ich halte einen Karton entgegen, er rast hinein, und schon besitzen wir erneut so ein possierliches Tier.
Hamster sind von Natur aus bissig, aber wenn man sie vorsichtig an die Hand gewöhnt, beißen sie nur noch in den Finger, wenn er nach Leberwurst riecht. Wir schütten das tobende Tier in einen Glasbehälter, versuchen vorsichtig sein Vertrauen zu gewinnen, aber es wirft sich auf den Rücken, stößt pfeifende, aggressive Laute aus. Die genossene Freiheit hat ihn wohl für eine Symbiose mit Menschen verdorben.
Was tun? Da hilft nur, ihn erneut auszusetzen, am besten vor den großen Wiesen am Kanal, da kann man ihn unauffällig laufen lassen.
Es bereitet große Mühe, das wilde Tier in einen Karton zu bugsieren. Es tobt, versucht die scharfen Nagezähne in die Pappe zu schlagen.
Unterwegs passieren wir das Haus eines Carry Blue Züchters. Er sitzt gerade mit zwei seiner Hunde vor seinem Haus, genießt mit seinen Tieren die warmen Sonnenstrahlen.
„Was haben Sie in dem Karton?“
Mir ist es peinlich, aber dann beichten wir ihm die ganze Geschichte.
„Kein Problem! Den können Sie mir geben.“
„Aber der ist extrem bissig!“
Wir sind froh, den Karton los zu werden, in dem es im Augenblick ruhig geworden ist.
Am Kanal haben sich schon zahlreiche Sonnenanbeter niedergelassen. Wir breiten unsere Decke aus, schauen auf die großen Schlepper, die in großer Zahl passieren. Was für ein schöner Tag! Langsam gehen wir zurück. Der Hundezüchter sitzt noch immer – oder schon wieder – vor seinem Haus und schaut traurig auf seine dick bandagierte Hand.
„Wir haben Sie gewarnt!“
Der Tierfreund schüttelt nur müde den Kopf. Wir verkneifen uns die Frage, wo der Hamster jetzt ist und ob er ihn freigelassen hat. Einer der großen Carry Blue Hunde schaut mir allzu zufrieden drein, und wenn man genauer hinsieht, hat er eine kleine, blutige Wunde an der Schnauze.


*  *  *  *  *


Im Fahrstuhl

Wenn man im 13ten Stock eines Hotels wohnt, gewinnt der Fahrstuhl eine besondere Bedeutung. Wir haben sogar drei, aber dennoch ergibt es sich nicht selten, dass man endlos warten muss, besonders morgens zur Frühstückszeit, wenn fast jeder unterwegs ist.
Die begehrten Gefährte sind äußerst schlicht gehalten, abgeschabt, wackelig, 14 Knöpfe für die Stockwerke und ein B für Parterre, ein roter Schalter zum Anhalten und ein Klingelknopf für Notfälle. An der Rückwand hängt etwas unleserlichen ein Schild: Maximal 5 Personen.
Mehr passen auch wirklich nicht hinein! Man steht dicht an dicht, schweigt, starrt sich peinlich berührt in die Augen. Die relativ kurze Fahrt lohnt nicht für eine Kontaktaufnahme, andererseits erzwingt das Nahebeieinanderstehen an sich irgendeine Äußerung.
So würgt jeder seine dicke Kröte nur mühsam herunter, Aggressionen entstehen, haßerfüllte Blicke begegnen verächtlichen Mienen.
Hin und wieder haben Kinder in allen Etagen die Knöpfe gedrückt, so daß man nur ruckweise und äußerst langsam vorankommt. Dann verhärten sich die Blicke, und tiefes, heftiges Atmen verrät, dass das abrupte Ende der Fahrt gerade noch den Vulkanausbruch verhindert hat.
Man muss sich einmal vorstellen, was passieren kann, wenn der Fahrstuhl auf halber Strecke für Stunden stecken bleibt, wenn Claustrophobie und Heimtücke überhandnehmen. Bin ich in der Lage, mich gegen die anderen Fahrgäste zu behaupten, reicht die Luft überhaupt?
Ich muß zugeben: einige Male habe ich bereits bei mir selbst Anzeichen von aufkeimender Aggression beobachtet, wenn sich bereits sieben Personen zusammenpressen und eine achte – „Ich wiege nicht viel!“ – sich hineindrücken will.
Da habe ich einmal eine alte Dame einfach wieder herausgeschoben und noch durch die geschlossene Tür ihr gellendes „Unverschämt“ hören können.
Bald kenne ich einen kleinen Trick, der mir gestattet, den Mitbewohnern den Eintritt zu verwehren: Wenn der Fahrstuhl hält, braucht man nur etwas an die Tür zu drücken, worauf sie sich kurz darauf fest verschließt, so dass die Fahrt ungestört weitergehen kann.
Oft kann ich die heimtückische Freude kaum verbergen, wenn ich durch das Milchglas der Aufzugstür wütende Hände gegen die Scheibe trommeln sehe.
Da gibt es den sturen Rucksackträger, dessen Schnallen und Widerhaken dir fast dein Augenlicht vernichten, grobe Gesellen, die dich einfach gegen die Wand drücken mit einer Miene „Na, stört dich was?“, Kerle, gegen die ich nicht ankommen kann.
Weshalb dann nicht wieder einmal auf die eigenen Beine zurückgreifen?
Frische Luft, zwei Stufen mit einem Sprung, ich bin erstaunt, wie schnell es hinuntergeht. In den Kurven halte ich mich am Geländer fest, fliege fast um die Ecken, kein Mensch ist zu sehen, herrlich, luftig, ungestört!
Fröhlich gehe ich an den Ausgängen der Fahrstühle vorbei in Richtung Frühstücksraum.
Wütende Stimmen. Gerade hat sich eine Fahrstuhltür geöffnet.
„So eine Unverschämtheit!“
Überrascht drehe ich mich um, blicke direkt in die Augen einer kleinen, aufgeregten Dame, die sich gerade aus dem Fahrstuhl gewunden hat.
„Ach, um Gottes Willen!“
Ich weiß schon, was auf mich zukommt, beschleunige meine Schritte hinein in den Frühstückssaal.
„Warten Sie! Warten Sie doch!“
Schnell kurve ich um die Käseplatten herum, suche Schutz hinter einer Tellerablage. Umsonst! Meine Verfolgerin versperrt mir den Weg.
„Um Gottes Willen, um Gottes Willen, ich habe doch nicht Sie gemeint!“
Sie keucht und zerrt an meinem lockeren Pullover. Natürlich hatte ich das nicht angenommen, bringe jedoch nur noch ein böses, dumpfes Schnaufen heraus.
Irgendwie ist meine Morgenstimmung dahin. Mit oder ohne Fahrstuhl, es bringt wohl keinen großen Unterschied.





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